Geschichte des Upstreamsurfings
Es fing alles vor rund 1 ½ Jahren an, als Simon Gerber aus dem Neuseelandurlaub wieder in die Schweiz zurückkehrte und surfen wollte. Er erfand einen Flaschenzug, der es möglich machte, flussaufwärts zu surfen. Simon Gerber ist gelernter Maschinenbauspezialist. Am Anfang hat anscheinend nichts funktioniert, da das System zu einfach aufgebaut war. Er musste zuerst einige Tage investieren, um zu schauen, wie er es anpacken konnte.
Das System besteht aus drei Elementen: Einem Segel, einem Seil und einer Umlenkrolle. Das erste Segel, welches im Prinzip das Gegengewicht zum Surfer darstellt, bestand aus einer LKW-Plane. Die Umlenkrolle wurde vom Flaschenzug ersetzt, damit die Kraftübertragung optimiert wird.
2015 meldete er das Patent an und kündete seine Arbeitsstelle bei der ABB, um sich voll auf das Upstreamsurfing zu fokussieren. 2016 wurde alles richtig professionell. Er meldete sich und sein System bei der internationalen Sportmesse (ISPO) in München an. Dort gibt es einen Bereich, wo die ISPO fünfzig Newcomer pro Jahr testet. Er konnte sein System daher beinahe kostenlos der Oeffentlichkeit präsentieren. Simon Gerber wurde mit seiner Erfindung Finalist und durfte weiter ausstellen. Er betonte, dass es eine sehr interessante Erfahrung war, da er auch seinen heutigen Teamkollegen dort kennengelernt hatte. So wurde das Projekt Upstreamsurfing ins Leben gerufen. (1)
Material
Simon und seine Teamkollegen hatten insgesamt vier Surfboards dabei. Ein Softtech Lufi Surfboard, ein epoxy Longboard der Marke Surfindustries und zwei Shortboards. Es kann eigentlich mit jedem beliebigen Surfboard gesurft werden. Mit kürzeren und leichteren Shortboards ist es nach meinem Empfinden schwieriger, aus dem Wasser zu kommen. Das Longboard gibt mehr Halt auf dem Wasser. Das Shortboard weniger. Zudem braucht es wie beim Wakesurfing ein Handle aus Gummi-Grip, welches mit dem Segel (Gegengewicht) verbunden ist. Empfehlenswert ist ein Neoprenanzug und Neoprenschuhe, da im Fluss gesurft wird und es einige spitze Steine im Wasser haben kann.
Technik
Simon Gerber erklärt die Technik des Usptreamsurfsystems wie folgt auf der Website:
“Using the natural power of a river, the system enables you to enjoy surfing together with your friends. The idea is to divert a river's flow by a pulley and an underwater sail to accelerate the surfer. And this is how it works:
The system consists out of three parts a sail, a pulley and a rope connecting the surfer and the sail and requires minimum two persons. The pulley needs to be attached to a fix point (e.g. a bridge). Once in the water, the surfer drifts downstream and the sail on the other end of the rope gets dragged upstream towards the pulley.
Since the sail floats on the river's surface due to air pockets on it's one end a certain resistance against the river's flow gets build once the second person steps on the other end of the sail (no air pockets) and pushes it against the river's current. Now the surfer accelerates and is able to surf, since the current pushes the underwater sail downstream and the pulley diverts the river's energy. “ (2)
Die Technik des Surfens wird weiter unten, bei den persönlichen Erfahrungen, näher erklärt. (3)
Ort
Das Upstreamsurfing wird momentan nur in der Schweiz betrieben. Simon Gerber hatte die weltweit einzige Idee für ein solches System. Der Sport soll bald auch an anderen Standorten in der Schweiz ermöglicht werden. Bis jetzt wird aber nur an der Limmat unterhalb der Werdinsel bei Zürich gesurft. Manchmal jedoch auch näher bei Stadt. Der Standort unterhalb der Werdinsel ist für das Upstreamsurfing besonders geeignet, da dort die Limmat relativ flach ist. Ausserdem kann man den Sport dort gut ausüben, da wenige Schwimmer und/oder Fischer unterwegs sind. Sobald man näher an die Stadt kommt, hat es überall Schwimmer im Wasser und natürlich viele Fischer, welche in der ganzen Schweiz demonstrativ gegen das Surfen auf Flüssen sind.
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Meine persönlichen Erfahrungen
Am Sonntag, den 6. August 2017 fuhren mein Vater und ich um 09.00 Uhr morgens in Basel los, Richtung Zürich. Nur mit den Koordinaten 47.4035889 / 8.4786179 ausgestattet. Wir kämpften uns durch das Klärwerkgebiet und die vielen Familiengartenareale, auf der Suche nach dem Surfplace. Nach einigen Sackgassen, fanden wir doch noch den Weg und parkierten das Auto in der Nähe der Limmat. Anschliessend liefen wir Richtung Fluss und entdeckten vor uns zwei surferähnliche Gestalten. Es waren tatsächlich Simon und sein Kollege. Wir begrüssten uns und halfen den beiden das schwere Gepäck nach vorne zur Brücke zu tragen. Wir kamen zur Brücke und in diesem Moment fing es ein wenig an zu regnen. Der Regen verwandelte sich schlussendlich zu langen Bindfäden, so dass das Surfsystem schliesslich im strömenden Regen aufgebaut werden musste. Ich dokumentierte alles fleissig mit vielen Bildern, damit alle Website-Besucher den Durchblick behalten. Die Jungs stiegen über das Brückengeländer, befestigten überall Seile und Umlenkrollen. Das grosse Segel (vgl. Bilder) wurde ganz zum Schluss „hoch und weit“ ins Wasser geworfen.
Um nicht ganz durchnässt zu werden, wurde ein kleines Zelt aufgebaut. Darunter konnte das Material verstaut werden. Nun mussten wir uns umziehen. Ich hatte natürlich wieder meinen 3.2 mm dicken Neoprenanzug dabei. Bei diesem Wetter war ich geradezu froh, ihn anzuziehen. Ich zwängte mich in den Anzug hinein und lieh mir anschliessend ein Paar Neoprenschuhe aus. Es kamen noch 4 weitere Surfer dazu, welche sich im Internet eingeschrieben hatten. Es war erstaunlich, dass bei diesem Wetter überhaupt jemand kam.
Nach einer kurzen Einführung und allgemeinen Informationen ging es los. Als erstes gab es ein paar Uebungen an einem Standseil. Dort konnte mit dem Surfboard im Fluss geübt werden.
Ich packte mir ein Surfboard und watete ins kniehohe Flusswasser. Der Fluss riss mir fast die Füsse vom Boden. Ich ging bis zum Standseil und packte mir das Handle. Es war anfangs sehr schwierig überhaupt auf das Surfboard zu gelangen, da die Strömung sehr stark war. Das Brett wurde mehrere Male beinahe den Fluss hinuntergespült. Zum Glück war Michael da, der mir freundlicherweise das Brett immer wieder auffing. Ich probierte es einige Male aus, zuerst auf dem Brett zu knien und anschliessend zu stehen. Dies war jedoch nicht so einfach, da es ein „starres“ Seil war. Dann durfte ich mich mit dem Haupthandle und dem Surfboard den Fluss hinuntertreiben lassen, um es das erste Mal zu testen.
Ich liess mich ca. 300 m den Fluss hinuntertreiben, bis dort, wo mich Simon in Empfang nahm. Zuerst probierte ich einen normalen Surfstart auf dem Softtech Shortboard, d.h. auf das Brett liegen und dann aufstehen. Dies funktionierte nicht wirklich, also versuchte ich mit einem Longboard den Wakesurfstart (vgl. Wakesurfen, Technik) aus. Dies funktionierte erstaunlicherweise beim zweiten Anlauf, da die Jungs genau in diesem Moment auf das Segel lagen und mich so das Seil hochzog. Es war der Hammer! Endlich hatte ich es geschafft und konnte die gesamten 300 m bis unter die Brücke auf dem Fluss zurücksurfen. Es standen auch einige Zuschauer auf der Brücke, die mir interessiert zusahen. Als ich unter der Brücke ankam, war der Flaschenzug fertig und das Seil gab nach. Ich behielt das Handle in der Hand und übergab es an den nächsten Surfer, der sich wieder mit Handle und Surfboard den Fluss hinunter treiben liess.
Meine persönlichen Tipps für Anfänger
Wenn du schon einmal gesurft bist, dann ist es sicher einfacher für dich, da du das Brettfeeling schon einmal gefühlt hast. Die anderen, welche mit mir in der Session gesurft sind, hatten alle schon einmal ein Brett unter den Füssen. Wenn jemand schon auf einem Snowboard gestanden ist, findet man das Gleichgewicht auf dem Brett schneller. Auch ohne Erfahrung auf dem Brett ist es möglich diesen Sport zu versuchen, denn die Jungs stehen helfend zur Seite.
Ziehe unbedingt einen Neoprenanzug und Schuhe an, im Fluss hat es viele spitzige Steine.
Probiere zuerst das Standseil aus. Sollte es da nicht auf Anhieb funktionieren, macht das nichts, da ich aus meiner Sicht das Gefühl hatte, dass es am Standseil schwieriger war, als mit dem richtigen Seil. Aber du hast dann schon einmal ein bisschen ein Gefühl, wie es sein könnte mit dem langen Seil.
Wie eigentlich bei allen Brettsportarten, schaue niemals auf deine Füsse oder das Brett! Sonst fällst du um. Fixiere dir irgendeinen Punkt, beim Upstreamsurfing z.B. an der Brücke und surfe darauf zu.
Surfe beim Upstreamsurfing nicht zu nah am Ufer, denn da hat es Steine, die du vom Wasser aus nicht sehen kannst. Die Steine können so gross sein, dass sie dein Board von unten her aufschlitzen oder verkratzen können.
Lass dir von den Jungs zuerst helfen. Wenn nicht, dann könnte dir aufgrund der starken Strömung das Brett davon schwimmen. Wenn dein Brett einmal quer unter Wasser ist, bekommst du es nicht mehr zurück und es schwimmt flussabwärts.
Stehe auf deinem Brett nicht zu weit hinten, da in diesem Fall das Brett vorne zu weit nach oben schaut und hinten zu tief im Wasser liegt. Ein Sturz ist unvermeidlich. Lege deinen Schwerpunkt in die Mitte, aber auch nicht zu weit vorne, damit du dein Brett noch bewegen kannst.
Je mehr Personen auf dem Segel sind, desto schneller surft man flussaufwärts. Aber keine Angst, es macht trotzdem sehr viel Spass! Und wenn du einmal Angst hast, es könnte zu schnell werden, dann kannst du immer noch vom Brett springen.
(1) Aus dem Interview mit Simon Gerber
(2) vgl. http://www.upstreamsurfing.com/
(3) vgl. https://www.telezueri.ch/63-show-zueriinfo/5155-episode-upstream-surfing-in-zuerich